Wir veredeln ein Kulturgut – Über die Kunst des Affineurs

Was hat Käse mit Kunst zu tun? Nicht viel, möchte man meinen, und doch eine Menge. Kunst zeichnet sich im besten Falle dadurch aus, dass sie uns anders auf Dinge blicken lässt und dazu beiträgt, unseren Horizont zu erweitern. Bei der Herstellung von Käse geht es darum, Milch in einen schnittfesten, oder streichzarten Genuss zu verwandeln. Dies ist eine Kunst, die auf gutem Handwerk und einer Menge Erfahrung basiert. Doch dieses käsige Genusserlebnis kann man noch veredeln. Dies ist die Aufgabe, zu der sich nur wenige Menschen berufen fühlen und die noch weniger beherrschen. Gut ausgeführt aber avanciert dieses Handwerk zur Kunst. Denn auch bekannte Käsesorten mit ihren typischen Aromen erfahren durch die Kunst der Affineure eine geschmackliche Verfeinerung, die den Gaumen anregt und uns diese Käse im Besonderen und die Welt im Allgemeinen mit anderen Augen betrachten lässt. Die Rede ist von Affineuren – den Spezialisten zur Veredelung von Käse. Der Tölzer Kasladen feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Eine gute Gelegenheit, uns mit Wolfgang Hofmann, Geschäftsführer und Affineur, der das Familienunternehmen in zweiter Generation führt, zum Gespräch zu verabreden.

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In diesem Artikel

Nikolai Wojtko:
„Herr Hofmann, Sie sind Affineur und damit bekleiden Sie einen Beruf, den man zunächst einmal erklären sollte.“

Wolfgang Hofmann:
„Nun, bei einem Beruf, der uns täglich begegnet, wie bei einem Koch, leuchtet uns das Berufsbild in der Regel ein. Auch, wenn wir gar nicht so genau wissen, wie der jeweilige Mensch seinen Beruf täglich ausführt. Denn hier gibt es ja vielfältige Möglichkeiten. Wenn man so möchte, kann ein Koch ja ganz unterschiedliche Berufsbilder bekleiden, vom Systemgastronomen bis hin zum Sternekoch. Der Affineur zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass er zwei Berufsbilder miteinander vereint: Zum einen ist er ein Händler, zum anderen aber veredelt er seine Ware, indem er sie gezielt reifen lässt. Käse ist ein sehr altes und im besten Sinne sehr traditionell hergestelltes Lebensmittel. In meinen Augen ein Kulturprodukt – ähnlich wie Brot oder Wein. Und diesem Produkt widme ich meine ganze Aufmerksamkeit. Käse ist ein lebendiges Lebensmittel, das sich im Laufe der Zeit verändert. Dabei ist es schon entscheidend, unter welchen Bedingungen die Tiere leben, die die Milch für den Käse liefern.“

 

Nikolai Wojtko:
„Warum das?“

Wolfgang Hofmann:
„Es kommt darauf an, was die Tiere zu fressen bekommen. Stehen sie an der frischen Luft und können sie auf Weiden grasen? Leben sie in artgerechter Haltung, möglichst auf einem kleinen Hof, auf dem es für die Milch lediglich kleine Transportwege gibt, sie also weder gekühlt noch pasteurisiert werden muss, bevor sie zu Käse verarbeitet wird? All dies sind Parameter, die entscheidend für einen Käse sind, der mit Geschmack überzeugt. Denn wenn die Tiere viele frische Kräuter fressen, viel Bewegung und wenig Stress haben, schlägt sich das in der Milchqualität nieder und die ist das Ausgangsprodukt für den Käse.“

 

NW:
„Nun haben wir also ungekühlte Rohmilch von Tieren in artgerechter Haltung, was ist daran entscheidend?“

WH:
„Käse ist ein lebendiges Lebensmittel. Je natürlicher die Milch gewonnen wird, je mehr manuelle Zuwendung der Käse erfährt, um so eher kann er vielschichtige Aromen und damit den vollmundigen Geschmack ausbilden, den wir so an ihm schätzen. Normalerweise achtet man darauf, dass die Tiere von bestimmten, an die jeweilige Region angepassten Rassen stammen, sie natürliches Futter erhalten und die Milch täglich frisch verarbeitet wird. Denn Käse, der aus ungekühlter Rohmilch hergestellt wird, ist eine wahre Auszeichnung für gute Milch.“

© © Markus Stoffel

NW:
„Woher haben sie dieses Wissen?“

WH:
„Das liegt in der Familie. Mein Vater begann 1972 Käse aus Frankreich zu importieren, da er vom Geschmack dieser Käse begeistert war. Nur gab es damals eine solche Käsekultur, wie es sie traditionell in Frankreich gibt, bei uns nicht. Er war also darauf angewiesen in die unterschiedlichen Regionen Frankreichs zu reisen, um die Produzenten persönlich kennen zu lernen. Nur auf diese Weise und durch den persönlichen Kontakt, konnte er sicher stellen ausschließlich erstklassige Ware zu erhalten. So haben sich langjährige Partnerschaften ergeben. Einige unserer französischen Produzenten kennen wir nun tatsächlich schon seit Jahrzehnten und haben den Grundstein für zahlreiche nachhaltige Beziehungen gelegt. Aber noch einen weiteren positiven Effekt verdanken wir der engen Zusammenarbeit mit unseren Produzenten: Wir erhalten von ihnen erstklassige Käsesorten, die wir veredeln. Um dies zu erreichen wollen wir den typischen Geschmack der unterschiedlichen Käsesorten herausarbeiten. Seien die Käse nun frisch oder lange gereift, leicht oder würzig im Geschmack – es geht uns stets darum ihren jeweils besonderen Charakter zur Geltung zu bringen. Die Käse haben ja alle ihre besondere Flora. Denken Sie an einen typischen Camembert, der erhält nach 21 Tagen sein AOP-Siegel, danach erst gelangt er zu uns.“

 

NW:
„Und was machen Sie dann mit dem Käse?“

WH:
„Nun, in erster Linie geben wir ihm genau die Zeit, die er zur Reifung benötigt. Das ist von Käse zu Käse unterschiedlich. Die Weichkäse werden allmählich cremiger, die Hartkäse fester und können kristalline Strukturen ausbilden, die dann auf der Zunge langsam geschmackvoll zergehen. Aber die Lagerung alleine reicht nicht aus: Die Käse müssen das richtige Klima erhalten, die für den Moment optimale Temperatur und sie müssen regelmäßig gepflegt werden, um sich optimal entwickeln zu können. Hier steht der Affineur mit seiner ganzen Erfahrung am Ende der Produktion und dann kommt noch ein entscheidender Moment hinzu: er muss den perfekten Reifezustand erkennen, um ihn genau dann seinen Kunden anbieten zu können. Wenn sie so wollen, sind wir das Bindeglied zwischen Käseproduzenten und den Kunden, wir lassen nur die Zeit, unsere Erfahrungen und unsere nachhaltig gewachsenen Beziehungen zu Produzenten und Kunden im richtigen Moment zusammenkommen.“

 

NW:
„Was schätzen Sie an den von Ihnen veredelten Käsen besonders?“

WH:
„Die französischen Käse bilden für uns den Schwerpunkt. Denn kein anderes Land der Welt verfügt über eine so vielfältige und lange Tradition der Käseherstellung. Natürlich sind wir auch stolz darauf, Käse aus unserer Region in ausgezeichneter Qualität anbieten zu können, denn die Rohmilchkäseproduktion in unserer Region entwickelt sich sehr gut. Was mich aber besonders freut und anspornt: Mit dem Genuss von Rohmilchkäsen fördern wir nicht nur die traditionell arbeitende Landwirtschaft, sondern vor allen Dingen das Tierwohl. So treten wir für den Erhalt aller unterschiedlichen Faktoren ein, die nötig sind, um einen ausgezeichneten Käse hervorbringen zu können. Käse ist für mich ein Lebensmittel, das Natur und Kultur im besten Sinne vereint. Wenn das zusammenkommt, dann wird Käse zum Genuss.“

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