Nicht ohne einen Bräter – verliebt, verköstigt, vererbt

Von Sandy Neumann

„Es muss lange köcheln.“ Etienne steht am Gasherd und rührt mit einem der großen Kochlöffel in dem riesigen gußeisernen Bräter. Der fasst bestimmt gut fünf Liter, davon reichlich Rotwein, indem das Stierfleisch vor sich hin simmert. „Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen.“ Ich halte meine Nase über den Bräter, wedele mir mit einer Hand noch ein bisschen mehr Camargue-Duft, Küchenkunst und Vorfreude ins Gesicht.

Französisches Schmorgericht

Etienne nickt. Dem stolzen Mann ist es ein Bedürfnis, uns auf seiner Manade, einem Zuchtbetrieb für Camargue Stiere und Pferde, zu verköstigen. „Die Gardiane, das Schmorgericht, gehört zur Camargue, in meine Familie sowieso.“ Etienne trägt die traditionelle Kluft der Gardians, ein baumwollenes Hemd, mit wunderschönem zarten Blütenmuster in hellblau, grün und altrosa, schwarze Weste und derbe Reithosen, handgemachte Stiefel und um den Hals ein ebenso schön gemustertes Tuch. Den Hut und den langen Staubmantel hat er beim Eintritt ins Haus abgelegt. In seiner Jugend war er bereits gefragt, als Stier-und Pferdezüchter und wohl auch ein bisschen als Herzensbrecher. Neben einer inneren Weisheit, Liebe zu seiner Heimat, den Stieren und Pferden, die er züchtet, trägt ihn auch die Verbundenheit zur Küche und zu familiären Traditionen.„Der Bräter, die Cocotte, gehörte bereits meiner Großmutter. Das ist Familiensache. Diese hier bekommt mal meine Tochter.“ Er rührt weiter durch die Gardiane. Ein leiser Moment, Worte sind unnötig.

Nahezu jede Familie in Frankreich hat mindestens eine Cocotte im Küchenschrank. Die vielseitigen Töpfe werden in unterschiedlichen Qualitäten angeboten. Möchte man etwas von Dauer haben, lohnt sich eine Investition. Die Schwergewichte sind nicht ganz günstig, dafür umso haltbarer. Schmorgerichte wie die Gardiane aus der Camargue, ein Bœuf Bourguignon, ein Ratatouille, eine ordentliche Suppe oder auch eingekochte Früchte – alles lässt sich hervorragend darin zubereiten. Sogar Brot gelingt bestens, krachende Kruste inklusive. Die innere Beschaffenheit des Deckels, oft mit stromlinienförmigen Erhebungen, sorgt dafür, dass der entstehende Dampf langsam zurück in den Bräter tropft. Alles bleibt saftig. Das Material hält die Hitze gut. Vorsicht, man benötigt unbedingt dicke Ofenhandschuhe. Leicht zu reinigen sind sie allemal. Ein wenig Patina dürfen sie ansetzen. 

© Sandy Neumann

Dass die Bräter in den Familien weitergegeben werden, höre ich bei Etienne nicht zum ersten Mal. Die Langlebigkeit der Cocotte ist berühmt und sowohl meine Freundin Françoise, als auch unser Nachbar Michel haben ebensolche Töpfe in der Küche zu stehen, oder besser gesagt, in andauernder Verwendung. Auch diese wurden bereits mehrfach vererbt. 

Zurück in Etiennes Küche. Die Gardiane ist so gut wie fertig. Der Tisch gedeckt. Auf ihm eine Decke mit dem einem ähnlichen Blumenmuster wie auf seinem Hemd. Das drei Meter lange Fenster lässt Licht hineinfallen, der Blick nach draußen darf über die flachen Weiden wandern, zu den weißen Camargue-Pferden und in der Ferne, den halbwild weidenden Stieren.

 

© Sandy Neumann

Etienne stellt eine Flasche Rotwein dazu. „Drei Flaschen davon sind in der Gardiane verkocht. Über sechs Stunden.“ 

Er bricht das Baguette in große Stücke, wozu ein Brotmesser… Die Cocotte kommt direkt auf den Tisch, eine Kelle dazu. Jeder nimmt sich. Der verführerische Duft hüllt ein. „Mit der Gardiane habe ich meine Frau eingefangen …“ Etienne lässt das einfach so stehen, Colette, seine Frau, schenkt ihm ein Lächeln.

„Auf die Familie und die Tradition. Santé!“

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Sandy Neumann
Sandy Neumann

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