Franck Roullé: seit 30 Jahren eine Institution auf den Essener Wochenmärkten

Von Nikolai Wojtko

Vielen galt das Ruhrgebiet als Mekka der Currywurst doch ansonsten als kulinarisch uninteressant. Ein Vorurteil für Außenstehende. Denn spätestens seitdem Franck Roullé die Essener Wochenmärkte im Herzen des Ruhrgebiets mit seinen französischen Spezialitäten bereichert, hat sich das grundlegend geändert. Der gelernte Koch hat nicht nur den richtigen Riecher für Spezialitäten, er kennt seine Lieferanten und weiß um die Qualität seiner Produkte. Die Auszeichnung zu den besten Adressen zu gehören an denen man in Deutschland Käse beziehen kann, ist also weder Zufall, als vielmehr Ergebnis zielgerichteter Arbeit und jahrelang gesammelter Erfahrung. Wir treffen uns auf dem belebten Markt in Essen-Rüttenscheid.

Franck Roullé

Franck, was verschlägt einen gebürtigen Bretonen ins Ruhrgebiet?

Es war die Liebe, natürlich. Ich weiß, es hört sich an wie ein Klischee. Aber meine Frau kam aus Essen. Wir lernten uns in einem Pariser Restaurant, in dem ich angestellt war, kennen. Wir lebten einige Zeit gemeinsam in Paris und dann sagte sie, sie würde gerne mal mit mir für einige Zeit in Essen wohnen, so hätte ich auch Gelegenheit die Gegend und vor allem die Menschen hier kennen zu lernen. Zu Anfang dachte ich, wir würden nur einig Wochen hier bleiben, um dann wieder nach Paris zu ziehen, doch dann wurde sie schwanger und aus den paar Wochen werden nun bald 30 Jahre.

 

Mittlerweile bist du nicht nur eine Institution auf den Essener Wochenmärkten, sondern auch ein gefragter Genuss-Experte. Hättest du dir eine solche Entwicklung vor 30 Jahren vorstellen können?

Nun, natürlich nicht. Es ist wirklich schöner geworden, als ich es mir am Anfang gedacht habe. Und das hat natürlich auch damit zu tun, dass man einige Dinge im Leben nicht geradlinig planen kann. Zunächst wusste ich nur, dass ich auf lange Sicht etwas anderes machen wollte, als in der Gastronomie zu arbeiten.

 

Als ausgebildeter Koch? Warum das?

Ganz einfach: Für mich war es klar, dass ich als Familienvater Zeit für meine Kinder haben und gerne auch die Abende und Wochenenden mit ihnen verbringen möchte. Da ich in der Gastronomie aber viele Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hatte, wollte ich mir einen Weg überlegen, mit diesem Wissen für mich neue Wege zu gehen. Schnell keimte in mir die Idee, französische Spezialitäten auf den Wochenmärkten anzubieten. Doch natürlich hört sich das leichter an, als es sich dann wirklich gestaltet

 

Warum?

Nun, ich konnte kaum Deutsch sprechen und wusste überhaupt nicht, wie das auf den Wochenmärkten läuft. Wo muss man sich anmelden? Wie viele Menschen kommen auf welchen Markt? Was wird nachgefragt? Ich war ein absoluter Neuling und als Franzosen ein Exot dazu. Ohne Erfahrung aber französische Spezialitäten – also verderbliche Güter einzukaufen erschien mir für den Anfang zu riskant, da ich überhaupt nicht wusste, wie ich kalkulieren sollte. Also entschied ich mich zunächst dazu Textilien anzubieten. Ich habe ganz einfach mit einem Tapeziertisch angefangen, auf dem ich meine Waren ausbreiten konnte. Dann kam eine Kleiderstange dazu und nachdem ich ein Gefühl für das Marktleben entwickelte, konnte ich mir einen Wagen kaufen, von dem aus ich dann endlich die Spezialitäten meiner Heimat anbieten konnte.

 

 

© Nikolai Wojtko

Das war 1994. Wie wurde dein Angebot angenommen?

Ich habe klein angefangen. Mit Patés und Salami und da schon merkte ich, dass ich hier eine Lücke füllte. Meine Produkte wurden begeistert aufgenommen, also habe ich angefangen Käse und Butter mit ins Programm zu nehmen. Durch meine Zeit in der französischen Gastronomie hatte ich ausreichend Erfahrungen, was die Qualität der Produkte angeht und auch gute Kontakte zu Produzenten. So konnte ich direkt von ihnen beziehen und mein Angebot qualitativ hochwertig ausbauen. Mittlerweile sind bei rund 80 Positionen Käse und rund 20 Positionen an Pasteten mit saisonal wechselnden Angeboten. Mittlerweile haben wir nicht nur einen festen Kundenstamm, auch unser Catering ist sehr gefragt – denn unsere Produkte eignen sich natürlich hervorragend für ein abwechslungsreiches kaltes Buffet.

 

Du kannst nun schon auf eine lange Zeit zurückblicken. Was hat sich verändert.

Nun, als ich hier anfing, war es als Händler schwer, überhaupt einen Standplatz zu bekommen. Mittlerweile gibt es auf allen Märkten Lücken, denn viele Kollegen haben in der Zwischenzeit aufgehört. Doch der Weg auf den Markt scheint für viele Menschen festes Programm zu sein, es gibt zwar weniger Händler, aber ein attraktives und abwechslungsreiches Angebot und dadurch zahlreiche Kunden. Das hat sich auch während Corona nicht verschlechtert, eher im Gegenteil: Während des Lockdowns entdeckten viele, die die Supermärkte meiden wollten, die Vorzüge der Wochenmärkte. Die Menschen waren ja zu Hause und freuten sich nun, ihre Einkäufe unter freiem Himmel tätigen zu können. In dieser Zeit habe ich zahlreiche neue Kunden gewonnen, die sich etwas gönnen wollten und bei mir auf den Geschmack französischer Spezialitäten gekommen sind. Und natürlich haben sie Spaß, bei uns einzukaufen, denn unser Team ist immer lebendig, wir lassen die Kunden selbstverständlich probieren, damit sie unsere Produkte kennen lernen.

 

Kennen lernen sagst du, fühlst du dich als Botschafter?

Auf jeden Fall. Denn es war von Anfang an so, dass ich Interesse bei den Kunden wecken musste. Ein wichtiger Teil meines Berufs besteht ja darin, mit den Kunden über die Produkte zu sprechen. Wo kommen sie her? Was zeichnet sie aus? Was bedeutet Rohmilchkäse? Wieso ist die Butter gesalzen? Es kommen auch Menschen, die sich zwar interessieren, aber bisher noch nie mit unseren Produkten in Berührung gekommen sind. Eine Kundin kam mal zu mir und sagte, sie sei nun 35 Jahre al, aber sie habe noch nie Käse gegessen. Also habe ich sie beraten, sie verschiedene Käse zum Probieren gegeben und so hat sich für sie ein neuer Geschmacks-Horizont eröffnet. Sie ist, wie man so schön sagt, auf den Geschmack gekommen. Genuss ist immer eine Botschaft. Solche Dinge freuen mich ebenso, wie die Kunden, die zu uns kommen und einfach sagen: Ich habe schon viel von ihren Pasteten gehört, wie isst man die denn. Und dann kann ich Ihnen einfach ein Stück Baguette in die Hand geben uns sage: Ähnlich wie Leberwurst: Einfach großzügig auf das Brot legen und genießen. Zum Glück haben wir ja von Herzhaft bis Süß für jeden Geschmack etwas und mit der Zeit kaufen die Leute dann auch andere Dinge bei uns ein. Denn wenn man Käse und Schinken mag, probiert man auch irgendwann eine Fischpastete, oder eine Quiche und warum sollte man dann auf eine Flasche Wein verzichten?

 

 

© Nikolai Wojtko

Bei der Fülle deines Angebots – hast du persönliche Favoriten?

Das ist schwer zu sagen, denn ich verkaufe nur Produkte, die ich selbst gerne mag. Schwer einige hervorzuheben Aber prinzipiell bevorzuge ich herzhafte Sachen und unsere Bergkäse. Also Cantal, Gruyère oder Comte in allen unterschiedlichen Reifestadien. Und auch wenn ich sage, ich mag gerne Bergkäse, also die festen Käse bin ich doch absoluter Fan von unserem Brie de Meaux. Es gibt viele unterschiedliche Käse, die alle Bries de Meaux heißen, aber von unserem bin ich total überzeugt, er ist würzig, sehr cremig, auf den Punkt gereift, einfach unschlagbar.

© Nikolai Wojtko

Mittlerweile hast du dir einen Namen gemacht. Du bist bekannt und als Experte gefragt. Was waren deine schönsten Erlebnisse?

Es ist schon schön, wenn man bei einem Besuch in einer Bar angesprochen wird, weil die Leute mich mittlerweile kennen. Schöner noch ist es, wenn ich von den Medien als Experte nach meiner Meinung gefragt werde. Das passiert aber vor allen Dingen bei Fußballmeisterschaften: Da ist natürlich meine Meinung als in Deutschland lebender Franzose gefragt. Und natürlich tippe ich auf Frankreich. Was mich aber mehr freut, ist die Tatsache, das mit Erika Bergheim eine von mir wirklich bewunderte Spitzengastronomin meine Käse bezieht. Für mich ist das eine tolle Anerkennung. Aber auch hier am Stand kann ich immer wieder schöne Geschichten erleben, es wird immer viel gelacht und erzählt. Daher einfach hier nur an dieser Stelle die Schönste: Eine Kundin wollte meine Produkte probieren, wir kamen ins Gespräch, sie probierte und kam wieder. Wir lachten, unterhielten uns und dabei ist der Funke übergesprungen: Seit 10 Jahren sind wir nun zusammen und haben vor drei Jahren geheiratet. Genuss ist eine Botschaft, die durch den Magen geht.

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Nikolai Wojtko
Nikolai Wojtko

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