Wine O’Clock: Bodenpflege um jeden Preis?

Von Pierrick Jegu

Der Weinbau im Umschwung. Die Gewissheiten von gestern sind heute überholt. Sowohl am Weinberg als auch in den Kellern verändert das sich weiter entwickelnde Know-how zunehmend die Verfahrensweisen.

To till or not to till?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sich vor gar nicht allzu langer Zeit die französischen Winzer, nachdem sie jahrzehntelang zu Herbiziden und anderen Chemiekeulen gegriffen hatten, wieder vermehrt der Bodenbearbeitung zuwandten. Bodenpflege als Statement, um die Bindung zum bewirtschafteten Land wieder in den Vordergrund zu stellen. Wozu dient diese zumeist im Frühjahr und Sommer durchgeführte Tätigkeit? Konkret geht es darum, den Boden zu belüften und das Wachstum nicht erwünschter Vegetation einzudämmen. Hat sich an der Problematik bis heute nichts geändert, so gilt die Bodenbearbeitung inzwischen nicht mehr als unumstritten. Ob im Muscadet oder im Elsass, auf Korsika oder im Beaujolais, allenthalben verleihen die Winzer zunehmend ihrer Skepsis Ausdruck. Ihre Begründung? Eine zu intensive Bearbeitung setzt Gefüge und Funktion des Bodens unnötig zu und führt zum Absterben wertvoller Bodenorganismen wie z.B. Würmern. Sie löst zudem zu plötzliche und verhängnisvolle Temperaturanstiege des Erdreichs aus. Mir ist aufgefallen, dass der Anblick mehrerer Dutzend Zentimeter tiefer Furchen seither in den Weinbergen zur Seltenheit geworden ist.

Während einige Winzer bei Bedarf lediglich die Oberfläche bearbeiten, wirken andere inzwischen überhaupt nicht mehr auf die Böden ein. Sie entscheiden sich für eine natürliche oder eine gezielte Begrünung der Reblandschaft durch Aussaat ausgewählter Pflanzen. Gemeinsam mit den Regenwürmern ersetzten sie nämlich mühelos einen Traktor: die einen durch ihre Grabtätigkeit, die anderen durch ihr Wurzelwachstum. Und das ist noch nicht alles. Die Begrünung bewirkt ferner eine Eindämmung von Wasser- und Winderosion, begünstigt das Eindringen von Regenwasser, schützt vor übermäßigen Klimaschwankungen, fördert die Entstehung organischer Substanz und stärkt die biologischen Prozesse! Alle Achtung! Skeptiker mögen nun einwenden: Aber was tun, wenn die Begrünung überhandnimmt und die Reben nicht mehr genug Nährstoffe zum Reifen der Trauben bekommen? Doch auch hier bieten sich verschiedene Lösungen an, reicht es doch, zum Beispiel Grashalme umzulegen, um deren Wachstum zu bremsen und dennoch eine Feuchtigkeitsreserve am Boden zu erhalten. Ein Ansatz, der vom unglaublichen Potential des Weinbaus zeugt und zudem die Entschlossenheit der Winzer aufzeigt, ihr Metier ständig neu zu erfinden.

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