Der "Trend" Bowls – beinahe so alt wie die Menschheit!

Von Stevan Paul

Sie heißen Buddha Bowl, Poké Bowl oder Healthy Bowl – Essen aus der Schale erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Aber warum essen wir eigentlich so gerne aus der Schüssel? Eine Spurensuche.

Trend "Bowls"

Der Trend zu Bowl-Gerichten, buntem und allermeist auch gesundem Essen, das in Schalen serviert wird, ist weder eine Erfindung der Berliner Hipster-Crowd noch haben findige Gastronomen den Hype kreiert. Tatsächlich haben wir es mit einer ziemlich archaischen Geschichte zu tun. Die Bowl war das wohl allererste Gefäß der Menschheit: die eigenen, zur Schale gewölbten, Hände.

Es ist nicht ganz auszuschließen, dass uns die neue Bowl-Kultur genau dahin zurückführt, mit diesem wohligen Gefühl, dass uns durchströmt, wenn wir an einem kalten Tag eine Schale heißen Tee mit unseren Händen quasi umarmen. Oder in der Hitze des Sommers erwartungsvoll eine kühle Schale entgegennehmen, eine Poké-Bowl mit marinierten Lachswürfeln und viel frischem Gemüse auf duftendem Reis.

Schon vor 10.000 Jahren waren unsere Vorfahren in der Lage, einfache Schalen aus Ton herzustellen, aufgebaut aus spiralförmig geschichteten Tonwürsten oder zusammengefügten Platten. Ein fundamentaler Schritt der Menschheitsentwicklung: Erstmals konnte man stärkehaltige Lebensmittel, wie Samen, Getreide und Wurzeln, kochen oder rösten. Diese Technik machte das Essen besser verdaulich, auch der Näherwert erhöhte sich.

Bowls – funktional oder functional food

Auch heute steht der Gesundheitsaspekt im Mittelpunkt der neuen Schalenkultur, die aus einer bunten Mischung aus Gemüsen, Körnern und Hülsenfrüchten besteht – lecker Dressing dran und fertig! Das ist praktisch, nicht nur für Selbstoptimierer und: Wir schauen auf die reich gefüllte Schale und freuen uns – das ist meins, sagt uns so eine Bowl. Und mit jedem Bissen genießen wir wahlweise bewusst eine Zutat des Gerichts oder den vollen Geschmack mit einem einzigen Gabel-Happen.

Doch nicht nur im hippen Café oder auf dem Streetfoodtruck, auch in Bistros, Restaurants und der Sterne-Gastronomie feiert die Bowl ihren Siegeszug. Um was geht es da?

Prêt-à-manger! Die Modenschau der Haute Cuisine

Wie in der Mode, gibt es auch in der Kulinarik den Schaulauf der Handwerker. Hier wie dort prägen Zeitgeist-Vordenker die Trends und gestalten die Zukunft ihrer Zunft. Ihre Haute Couture ist die Haute Cuisine, in ihren Restaurants entwickeln sie neue Geschmacks-Entwürfe. Und wie bei den großen Fashion Shows in Paris, Mailand oder Berlin, mögen sich dem Laien Schönheit und Sinn der neuen Kreationen mitunter nicht immer sofort erschließen. Doch die kulinarischen Ideen für Übermorgen prägen die Küche ihrer Zeit: Gute Küche entwickelt Größe und Relevanz erst durch die beständige Erneuerung.

Das Anrichten eines Tellers kann dabei Ausdruck einer neuen Strömung, einer kulinarischen Philosophie sein, dabei oft eng verknüpft mit einer Funktionalität: Es funktioniert dabei auch als roter Faden durch das Gericht und führt subtil durch die Geschmackswelt(en) eines Tellers.

Eine kurze Geschichte des Anrichtens

Zunächst war es ganz einfach: Fleisch oder Fisch wurden mit Beilagen und Sauce nebeneinander im Tellerrund drapiert, eine kleine erste Extravaganz war der separat gereichte Salatteller, der verhinderte, dass sich die Sauce des Hauptgerichts mit dem Salatdressing mischte.  Retrospektiv gesehen erlebten Tellergerichte erstmals in den 1970er-Jahren eine Modernisierung, es wurde sorgfältiger und übersichtlich angerichtet. Dabei folgte man auch optisch der kreativen Auseinandersetzung mit einer neuen, eleganten Küche – fein statt viel, hieß es jetzt. Die hungrige Völlerei der Nachkriegs- und Wohlstandswunderjahre wandelte sich hin zum genussvollen Dinieren.

Die Nouvelle Cuisine, die aus Frankreich nach Deutschland kam, setzte auf den Eigengeschmack der verwendeten Zutaten, auf kürzere Garzeiten, knackiges Gemüse und luftige Saucen. In den 1980er-Jahren entwickelte sich die euro-asiatische Küche, sie verbanden das französische Erbe mit den Kulturküchen Japans und Chinas, damit ging in Deutschland die Entdeckung von Ingwer, Miso und Algen einher. Angerichtet wurde damals überwiegend turmartig, zentriert in der Mitte, übereinander gestapelt – im Fokus lag die Gesamtkreation, die möglichst mit jedem Biss in Gänze erfahr- und schmeckbar sein sollte.

Aus dem Geist dieser Küche erwuchs in den 1990er-Jahren jene Crossover-Kulinarik, in der die Mischung von Stilen und Länderküchen zur Hauptattraktion erhoben wurde. Erlaubt war alles, beliebt waren mehrteilige Präsentations-Sets an Schälchen, Tellerchen und Platten. Kurz wurden auch ganze Menügänge in Gläser geschichtet, die Fortsetzung der Idee des Stapelns. Diese ist bis heute in der jungen Szene-Gastronomie und im Cateringbereich beliebt.

Babylonische Turmbauten, Menüs im Glas, essbare Landschaften und die Zukunft

Seit ein paar Jahren geht das Essen in die Breite, essbare Landschaften ziehen sich über die Teller der Fine-Dining Restaurants, sie sind ein Erbe der molekularen Versuchsküchen. Zwischen bauschigen Schläuchen, Schwämmen, Sphären, Kugeln und Kuben schlängeln sich Kräuterwiesen und Saucenbäche durch sanft getupfte Tropfenhügel.

Hinter den verspielten Tellerrändern der neueren Moderne erlebt aber auch eine minimalistische Geschmacksküche mit wenigen ausgewählten Zutaten ihre Morgenröte. Das Vertrauen in den Eigengeschmack regionaler Produkte kehrt zurück, ein ökologisches Denken und der sorgsame Umgang mit den Ressourcen der Natur sind der neuen Generation von Köchen eine Selbstverständlichkeit. In Folge ist die Präsentation der genaue Gegenentwurf zu den essbaren Landschafen: Die einzelnen (wenigen) Komponenten dieser Gerichte werden wieder konzentrierter und minimalistischer inszeniert, nebeneinander gelegt, oder getürmt.

Es wird viel mit tiefen Schalen oder Bowls gearbeitet, die die Saucen, Fonds und Dashi-Brühen konzentriert im Zentrum halten. Und auch hier spielen wieder funktionale Überlegungen eine Rolle: Die Abkehr von dicken, gebundenen Saucen zugunsten eines konzentrierten Eigengeschmacks bedingt Geschirr, auf dem die aromatischen Essenzen nicht wegfließen.

French Bowl – der Salade niçoise (Nizza Salat)

In der französischen Küche gibt es ein paar Klassiker, die immer schon in der Schale angerichtet wurden, oder aber höchst geeignet sind, in einer Bowl präsentiert zu werden. Dazu gehört insbesondere der Salade niçoise: Die traditionelle Mischung aus grünen Bohnen, Tomatenvierteln, Kartoffeln, Gurke, Zwiebeln, Ei, Kapern und Sardellen kommt oft ohne Vinaigrette auf den Tisch, jede/r entscheidet selbst, wie viel Essig und Öl er über „seinen“ Salat gibt.  Die Qualität und Reife der verwendeten Produkte ist aber gerade in den Sommermonaten so optimal, dass es eine erstaunliche Zahl an Nizza-Salat-Fans gibt, die schlicht ein gutes Olivenöl bevorzugen – sonst nichts, die Mischung aus sonnenreifen Tomaten, salzigen Sardellen, cremigem Ei und warmen Kartoffeln braucht nicht viel.

 

 

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